Aus Unfällen lernen: Tödlicher Unfall durch Siedeverzug

Aus einem HT-Färbeapparat herausschießende Flotte verbrühte einen Maschinenführer.

Mit einem senkrecht stehenden HT-Färbeapparat (Hochtemperatur-Färbeapparat ) wurde eine Flockenfärbung mittels Färbeträgern durchgeführt. Die Färbung sollte bei 100° C erfolgen. Bei Färbungen mit dieser Temperatur ist ein Siedeverzug genauso möglich, wie bei einer HT-Färbung.

Um abzusäuern, wurde der Apparat durch Ablassen eines Teils der Flotte und zuführen von Frischwasser abgekühlt, so dass eine Temperatur von 80° C angezeigt wurde. Die Beheizung war abgeschaltet und die Entlüftung betätigt, um anschließend den Deckel zu öffnen. Nach Drehen des Schnellverschlusses wurde unerwartet der Deckel hochgeschleudert und Flotte schoss heraus. Dies führte zu großflächigen Verbrühungen des Maschinenführers durch die mindestens 80° C heiße Flotte.

Dieser Arbeitsablauf wurde schon jahrelang ohne Anzeichen für gefährliche Ereignisse genauso praktiziert. Als Ursache wird ein Siedeverzug z. B. durch Wärmenester in der Ware vermutet.

Nicht ohne Grund funktionieren Schnellverschlüsse zweistufig. Der Übergang auf die zweite Stufe ist durch das Umstecken des Zahnhebels mit einer Ruhepause verbunden, in der die Flotte sich beruhigen, Restdampf austreten und Warnzeichen bezüglich des Flottenzustands erkannt werden können.

Maßnahmen zur Vermeidung solcher Unfälle:

Was kann zu Unfällen, wie dem hier geschilderten, führen?
Um Schwachstellen aufzudecken und Unfälle durch Wärmenester bzw. Siedeverzüge zu verhindern, sollten sie folgende Fragen klären:

  • Ist sichergestellt, dass alle unter Druck stehenden Systeme (z. B. Dampf, Wasser, Druckluft, Pumpen) abgeschaltet sind, bevor ein Entriegeln erfolgen kann?
  • Bei Bügelverschlüssen:
    Ist sichergestellt, dass der Deckel erst geöffnet werden kann, wenn ein Spalt von mindestens 3 mm erreicht ist (Wegklappen der Bügelschraube über einen mindestens 3 mm hohen Vorsprung)?
  • Bei Schnellverschlüssen:
    Ist ein zweistufiges Prinzip sichergestellt? In der ersten Stufe ist der Deckel etwa 8 mm geöffnet, wird aber noch von der Rückhalteeinrichtung festgehalten. In dieser Position kann der Behälter anlüften. Eventuell austretende Medien werden durch Abweiskragen, Prallringe o.ä. so abgelenkt, dass die Bedienperson nicht getroffen wird. Der Übergang zur zweiten Stufe erfordert eine bewusste Änderung der Betätigung (i.d.R. durch Um stecken des Zahnhebels). Diese "Zwangspause" gibt dem Behälterinhalt die Möglichkeit ausreichend anzulüften und dem Bediener die Chance Warnzeichen für eine unsichere Situation noch bei in der ersten Stufe festgehaltenem Deckel zu bemerken.
  • Befindet sich das Thermometer an einem für eine zuverlässige Temperaturerfassung geeigneten Ort? Möglichst in der heißesten Zone und möglichst so, dass es nicht durch Faserreste oder ähnliches verkleben kann (repräsentativer Messwert?).
  • Ist die Entlüftungsöffnung so dimensioniert und positioniert, dass sie sich nicht durch Faserreste zusetzen kann? (Andernfalls könnte eine Situation eintreten, bei der nur scheinbar entlüftet wird; es droht Siedeverzug beim Öffnen des Deckels)
  • Gilt das auch für die Abflussleitung? (Durch eine unbemerkte Überfüllung könnte eine gefährliche Situation eintreten)
  • Webcode: 14261473
Diesen Beitrag teilen
Abo-Service: RSS-Feed

Sie interessieren sich für neue Unfallberichte?

Abonnieren Sie unseren News-Feed.

Mensch und Arbeit. Im Einklang.

Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie

Die GDA ist eine auf Dauer angelegte konzertierte Aktion von Bund, Ländern und Unfallversicherungsträgern zur Stärkung von Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz.

 
Arbeitsprogramm Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE)


Arbeitsprogramm Organsiation


Arbeitsprogramm Psyche