Gefährliche Stoffe

Schulungspflicht beim Umgang mit Diisocyanaten

Diisocyanate sind in vielen Produkten enthalten und werden in zahlreichen Branchen verwendet. Ab dem 24. August 2023 dürfen Beschäftigte nur noch dann mit Diisocyanaten arbeiten, wenn sie entsprechend geschult sind.

Zusammenfassung:

Ab dem 24. August 2023 dürfen Beschäftigte nur noch dann mit Diisocyanaten arbeiten, wenn sie entsprechend geschult sind. Unternehmen, die Tätigkeiten mit solchen Stoffen/Produkten durchführen, müssen die Schulungen für die Beschäftigten rechtzeitig vor diesem Datum organisieren. So sieht es die Verordnung (EU) 2020/1149 vor. Darüber hinaus müssen die Beschäftigten alle fünf Jahre erneut an einer Diisocyanatschulung teilnehmen. Der Umfang der Schulung richtet sich nach dem Gefährdungspotenzial am Arbeitsplatz. Die Schulung muss von einer qualifizierten Person, zum Beispiel einer Fachkraft für Arbeitssicherheit, durchgeführt werden.


Diisocyanate kommen in Klebstoffen, Dichtstoffen, Schäumen, Gießharzen, Beschichtungen und Lacken vor und sind damit neben Polyolen Hauptbausteine von Polyurethanen. Tätigkeiten mit diesen Stoffen/Produkten finden z. B. statt in den Branchen Elektronik und Elektrotechnik, Energieversorgung, Feinmechanik, Baugewerbe, Orthopädietechnik, Textilveredlung und Textilgewerbe, Flugzeugbau, Automobilzulieferung und Fahrzeuginnenausstattung, Verpackungstechnik und Kunststoff-Formteile-Herstellung, in Druckereien und Buchbindereien, Schuhmachereien und Orthopädie-Schuhmachereien.

Seit August 2020 gilt im Rahmen der REACH-Verordnung (Anhang XVII) eine neue Beschränkungsregelung für Produkte, die Diisocyanate enthalten. Die Verordnung (EU) 2020/1149 gilt für gewerbliche Produkte mit einer Diisocyanatkonzentration ab 0,1 Gewichts-Prozent. Das bedeutet, dass Diisocyanate als Stoff oder als Bestandteil von Gemischen vorliegen. Ob Betrieb von der Regelung betroffen sind, lässt sich schnell mithilfe des Sicherheitsdatenblatts überprüfen. Es zeigt in Abschnitt 2, ob in dem jeweiligen Produkt Diisocyanate enthalten sind.

Schulungen alle fünf Jahre wiederholen

Die Verordnung sieht Beschränkungen zum Inverkehrbringen, zur Abgabe und zur Weiterverwendung dieser Produkte vor. Demnach sind alle industriellen oder gewerblichen Anwender von Diisocyanaten verpflichtet, für Beschäftigte, die Tätigkeiten mit Diisocyanaten ausführen, Schulungsmaßnahmen durchzuführen. Die Beschränkung verpflichtet die Hersteller/Lieferanten sicherzustellen, dass ihren Abnehmern Schulungen und Schulungsmaterialien zur Verfügung gestellt werden. Die geforderten Schulungen gehen über den Umfang der sonst durchgeführten Unterweisung der Beschäftigten hinaus.

Der Umfang der Schulungen (3 mögliche Stufen) richtet sich nach dem Gefährdungspotenzial am Arbeitsplatz und muss tätigkeitsbezogen durchgeführt werden. Die Schulungen sind von einem "Experten auf dem Gebiet der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz" durchzuführen, der seine Kenntnisse im Rahmen einer entsprechenden Ausbildung erlangt hat. Dies kann z. B. die Fachkraft für Arbeitssicherheit sein, wenn sie die entsprechenden Fachkenntnisse hat. Die Schulungen müssen alle fünf Jahre wiederholt werden. Seit dem 24.02.2022 finden Sie den Hinweis zur Schulungsverpflichtung auch auf dem Etikett der Verpackung der Produkte und im Sicherheitsdatenblatt. Ohne die Durchführung der in der Verordnung geforderten Schulungen, ist die Tätigkeit mit Diisocyanaten ab dem 24.08.2023 nicht mehr erlaubt.

Ziel der Beschränkungsregelung ist, Schutzmaßnahmen einheitlich festzulegen und damit Gesundheitsgefahren an Arbeitsplätzen zu reduzieren, denn Diisocyanate führen häufig zu einer Sensibilisierung und sind damit Auslöser von berufsbedingten Atemwegs- und Hauterkrankungen. Aufgrund der geforderten spezifischen Eigenschaften der Produkte können diese Stoffe oft nicht durch Alternativen ersetzt werden. Die Beschränkungsregelung bietet die Möglichkeit diisocyanathaltige Produkte sicher weiterzuverwenden. Die Hersteller von diisocyanathaltigen Produkten versuchen zurzeit den Anteil an freien monomeren Diisocyanaten in ihren Rezepturen auf unter 0,1 Gewichts-Prozent zu reduzieren. Diese Produkte fallen dann nicht mehr unter die Schulungsverpflichtung. Die Prüfung auf eine mögliche Verwendung von ungefährlichen oder weniger gefährlichen Stoffen, Produkten und Verfahren (Substitutionsprüfung) kann in diesen Fällen also den gezielten Hinweis auf vorgenannte Produkte mit einem Gehalt von weniger als 0,1 Gewichts-Prozent ergeben. Die Substitutionsprüfung kann im Ergebnis auch zu anderen Stoffen oder Produkten führen. 

Über die REACH-Beschränkungsregelung für Tätigkeiten mit Diisocyanaten haben wir bereits in unserem Magazin "etem", Ausgabe 1/2021, berichtet.


Nachfolgend ein Auszug aus dem Textentwurf der Fachbereich Aktuell: "Verpflichtende Schulungen bei Tätigkeiten mit Diisocyanathaltigen Produkten - Handlungshilfe" zu häufigen Fragen aus der Praxis bei der Durchführung von Schulungen für Tätigkeiten mit Diisocyanaten. Darin wurden die Anforderungen an die Schulungen und an die Schulenden beschrieben, die die vorgegebenen Mindestanforderungen aus der Beschränkungsregelung erfüllen müssen.

Anforderungen an die Fachkunde nach der Gefahrstoffverordnung

Bereits seit 2010 fordert die Gefahrstoffverordnung in Deutschland, dass Tätigkeiten mit besonders gefährlichen Stoffen und Gemischen nur von fachkundigen oder besonders, bzw. entsprechend tätigkeitsbezogen unterwiesenen Personen ausgeführt werden dürfen. Diese Forderung gilt ausdrücklich auch für Tätigkeiten mit atemwegssensibilisierenden Stoffen und Gemischen.

Die Anforderungen an die Fachkunde nach GefStoffV sind abhängig von Art und Umfang der jeweiligen Aufgabe. Dazu zählen eine entsprechende Berufsausbildung oder Berufserfahrung oder eine zeitnah ausgeübte entsprechende berufliche Tätigkeit sowie die Teilnahme an spezifischen Fortbildungsmaßnahmen. Eine "zeitnah ausgeübte entsprechende berufliche Tätigkeit" umfasst eine Tätigkeit mit direktem Bezug zur jeweiligen Aufgabe/Tätigkeit. Zum Erhalt der Kenntnisse gehört die regelmäßige Durchführung der jeweiligen Aufgabe/Tätigkeit. Die notwendigen Kenntnisse variieren in Abhängigkeit von der Branche, unternehmensspezifischen Rahmenbedingungen sowie den zu beurteilenden Tätigkeiten. Sie müssen nicht in einer Person vereinigt sein. Das bedeutet, dass sich z. B. Unternehmer/-innen, Vorgesetzte, die Fachkraft für Arbeitssicherheit, besonders erfahrene Mitarbeiter/-innen und die Betriebsärztin oder der Betriebsarzt bzgl. der erforderlichen Fachkunde ergänzen können und sollen.

Häufig gestellte Fragen

Wer kann die Schulungsmaßnahmen durchführen?

Die Schulungen sollen von "Experten auf dem Gebiet der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz" durchgeführt werden. Es empfiehlt sich daher, insbesondere die Personen einzubinden, die bereits die Gefährdungsbeurteilung und die Betriebsanweisung fachkundig erarbeitet haben und die jährlich notwendigen mündlichen Unterweisungen inkl. allgemeiner arbeitsmedizinisch-toxikologischer Beratung der Beschäftigten nach GefStoffV (§§ 6 und 14) durchführen. In Deutschland können das z. B. die Fachkraft für Arbeitssicherheit und die Betriebsärztin oder der Betriebsarzt sowie weitere in Bezug auf Isocyanate fachkundige Personen sein. Eine direkte Beteiligung arbeitsmedizinischen Sachverstandes an den Schulungsmaßnahmen gemäß der REACH-Beschränkung wird aufgrund der besonderen gesundheitlichen Risiken beim unsachgemäßen Umgang mit diisocyanathaltigen Produkten empfohlen.

Wie können die Schulungsmaßnahmen organisiert werden?

Je nach Gegebenheiten (Klein-, Mittel- oder Großunternehmen) sind auch gemeinsame bzw. standortübergreifend organisierte Schulungen der Beschäftigten denkbar, vorausgesetzt die für die Schulungsbestandteile genannten Mindestanforderungen werden erfüllt. Standortübergreifend organisierte Schulungen können z. B. durch Innungen, Kammern, Berufsschulen bzw. an verschiedenen Standorten organisierte Schulungen für Großunternehmen durchgeführt werden.

Wird eine Ausbildung zum Trainer gefordert?

Die Schulungsverpflichtung gemäß REACH-Beschränkung kann als eine intensivere Unterweisung, deren erfolgreiche Teilnahme zusätzlich durch die Arbeitgebenden zu dokumentieren ist, betrachtet werden. Eine Ausbildung zum Trainer/Lehrer wird nicht explizit gefordert, kann aber je nach Umfang und Anforderungen an die Schulungen (z. B. bei Tätigkeiten mit höherem Gefährdungspotenzial, große Anzahl der zu Schulenden, Schulungen an verschiedenen Standorten etc.) sinnvoll sein.

Müssen die Online-Schulungsmodule genutzt werden?

Der Lieferant soll laut Verordnungstext sicherstellen, dass den Abnehmern von diisocyanathaltigen Stoffen und Gemischen mit Diisocyanatgehalt ≥ 0,1 Gew.-% Schulungsmaterialien und Schulungen gem. der Beschränkungsvorgaben zur Verfügung gestellt werden (vgl. Beschränkungseintrag Nr. 7).

Die europäischen Herstellerverbände ISOPA (European Aromatic Diisocyanate & Polyol Producers Association) und ALIPA (European Aliphatic Isocyanates Producers Association) haben eine Schulungsplattform aufgebaut und bieten eine Vielzahl von kostenpflichtigen Online-Schulungsmodulen für verschiedene Anwendungen in unterschiedlichen europäischen Sprachen an.

https://safeusediisocyanates.eu/de

Wenn Sie den vom Verband der Europäischen Klebstoff- und Dichtstoffindustrie (FEICA, Association of the European Adhesive & Sealant Industry) kostenlos zur Verfügung gestellten Freischaltcode FEICA_21_G nutzen, können Sie einige ausgewählte Module für Anwendungen mit diisocyanathaltigen Klebstoffen oder Dichtstoffen kostenfrei nutzen. Es sind allerdings nicht alle Module zu anderen Anwendungen mit dem Freischaltcode abgedeckt.

Diese von den Herstellerverbänden erstellten Unterlagen, einschließlich der Schulungs- und Online-Module, stellen eine Möglichkeit zur Einhaltung der Beschränkungsanforderungen dar. Eine Verpflichtung zur Nutzung dieser Angebote besteht nicht. Freiräume wurden bewusst gelassen.

Es können Selbstlern- und Onlinemodule eingesetzt werden. Insbesondere bei der Aufbau- und Fortgeschrittenenschulung für Tätigkeiten mit höheren Expositionen empfiehlt es sich, Rückfragemöglichkeiten für die Unterwiesenen anzubieten.

Es ist zu beachten, dass die Online-Module den Anforderungen der Länderbehörden an die Schulungen nicht vollständig entsprechen. Daher ist nach der Onlineschulung ein Gespräch mit einer in Bezug auf Isocyanate fachkundigen Person zu empfehlen, um Fragen der Beschäftigten zu beantworten. Dabei sollte auch auf zusätzliche Gefährdungen, die z. B. durch Treib- und Lösemittel entstehen können, eingegangen werden. Weitere Informationen finden Sie in Abschnitt 6 in den Leitlinien zu Schulungen zur sicheren Verwendung von Diisocyanaten gemäß Eintrag Nr. 74 Anhang XVII REACH-Verordnung der BLAC (Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Chemikaliensicherheit).

Wie ist die erfolgreiche Teilnahme an der Schulung zu dokumentieren?

Zum Abschluss der REACH-Schulungen muss die erfolgreiche Teilnahme an der Schulung bescheinigt werden. Dazu muss sich die durchführende Person/Institution davon überzeugen, dass die Teilnehmenden den Schulungsinhalt verstanden haben. Das kann z. B. in Form von Multiple-Choice-Fragebögen, Gruppen- / bzw. Einzelgesprächen oder Frage-Antwortsituationen stattfinden. Bei Onlineschulungen wird die erfolgreiche Teilnahme nach richtiger Beantwortung von Fragen durch eine Bescheinigung nachgewiesen. Der erfolgreiche Abschluss muss vom Arbeitgebenden dokumentiert werden.

Wer ist für die Kontrolle der Umsetzung der Forderungen aus der REACH-Verordnung zuständig?

Die geforderten Umsetzungen aus der REACH-Verordnung liegen in der Zuständigkeit der Länder. Bei Bedarf kann es im Einzelfall sinnvoll sein, sich in Bezug auf die beabsichtigten Schulungsmaßnahmen und des Nachweises einer erfolgreichen Teilnahme mit der zuständigen Behörde abzustimmen. Die Durchsetzung von REACH-Beschränkungen obliegt in Deutschland den zuständigen Überwachungsbehörden (z. B. Marktaufsicht, Umweltbehörden oder staatliche Ämter für Arbeitsschutz) der Bundesländer. Zuständig für die Kontrolle sind die einzelnen Bundesländer.

Unterweisungen auf Grundlage der Gefahrstoffverordnung in Deutschland

Die in Deutschland grundsätzlich bestehende Verpflichtung der Arbeitgebenden nach einer fachkundig durchgeführten Gefährdungsbeurteilung inkl. Betriebsanweisung und jährlicher mündlicher Unterweisung inkl. allgemeiner arbeitsmedizinisch-toxikologischer Beratung der Beschäftigten nach Gefahrstoffverordnung (GefStoffV §§ 6 und 14) bleibt unberührt. Die Schulung gemäß des REACH-Beschränkungseintrages entbindet nicht von diesen rechtlichen Vorgaben nach der GefStoffV. Die Schulungen können aber gemeinsam mit der Unterweisung abgehandelt werden.

Weitere häufig gestellte Fragen zur Beschränkung von Diisocyanaten finden Sie in der Publikation Helpdesk kompakt: REACH (Stand 02/2022) "Beschränkung von Diisocyanaten unter REACH: Was industrielle und gewerbliche Verwender und Lieferanten beachten müssen."

Ansprechpartnerin

Dr. Stefanie Labs
Fachkompetenzcenter Gefahrstoffe
Telefon: 0221 3778-6138
E-Mail: labs.stefanie@bgetem.de

Weitere Informationen

  • Webcode: 23750106
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