Arbeiten im spannungsfreien Zustand

An unter Spannung stehenden aktiven Teilen und Betriebsmitteln darf, abgesehen von den Festlegungen in § 8 DGUV Vorschrift 3, nicht gearbeitet werden (§ 6 DGUV Vorschrift 3). Somit muss die Arbeitsmethode "Arbeiten im spannungsfreien Zustand" unter Einhaltung der fünf Sicherheitsregeln angewendet werden.

Um Risiken und Gefahren eines Stromunfalls für die Mitarbeiter gering zu halten, müssen zur Herstellung des spannungsfreien Zustands und zum Erhalt des spannungsfreien Zustands für die Dauer der Arbeiten an der elektrischen Anlage die „fünf Sicherheitsregeln“ in der vorgegebenen Reihenfolge eingehalten werden.

  1. Freischalten
  2. Gegen Wiedereinschalten sichern
  3. Spannungsfreiheit feststellen
  4. Erden und Kurzschließen
  5. Benachbarte, unter Spannung stehende Teile abdecken oder abschranken

Dennoch finden 90% der gemeldeten Unfälle im Niederspannungsbereich bei Arbeiten im spannungsfreien Zustand statt.

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1. Freischalten

Freischalten ist das allseitige Ausschalten oder Abtrennen einer Anlage, eines Teils einer Anlage oder eines Betriebsmittels von allen nicht geerdeten Leitern. Hat die aufsichtführende oder die allein arbeitende Person nicht selbst freigeschaltet, dann muss die schriftliche, fernschriftliche, fernmündliche oder mündliche Bestätigung der Freischaltung abgewartet werden. Die Vereinbarung eines Zeitpunktes, ab dem die Anlage als freigeschaltet angesehen werden kann, ist nicht zulässig. Auf das Feststellen der Spannungsfreiheit kann nicht verzichtet werden, auch wenn eine andere Person die vollzogene Freischaltung versichert.

Das Einsetzen und Herausnehmen von NH-Sicherungseinsätzen bei offenen Verteilungen ist ein Arbeiten unter Spannung (unterliegt § 8, DGUV Vorschrift 3) und darf nur mit dem NH-Sicherungsaufsteckgriff mit Stulpe und Gesichtsschutz durchgeführt werden. Da bei NH-Trennern mit teilweisem Berührungsschutz eine Lichtbogenbildung nicht immer sicher ausgeschlossen werden kann, wird eine vergleichbare Schutzausrüstung empfohlen. Bei HH-Sicherungseinsätzen müssen die bestimmungsgemäß dafür vorgesehenen Sicherungszangen benutzt werden; andernfalls ist vorher der spannungsfreie Zustand herzustellen.

Kondensatoren ohne selbsttätige Entladungseinrichtung müssen nach dem Freischalten mit geeigneten Vorrichtungen entladen werden. In Anlagen mit Nennspannungen über 1 kV müssen sichtbare Trennstrecken hergestellt werden.

2. Gegen Wiedereinschalten sichern

Schwere Unfälle ereignen sich immer wieder durch irrtümliches Wiedereinschalten durch Dritte, wenn die Anlage, an der gearbeitet wird, unerwartet wieder unter Spannung steht. Daher sind alle Trenn- und Betätigungsvorrichtungen wie z. B. Schalter, Steuerorgane, Schaltknöpfe, Sicherungen, Leistungsschutzschalter, mit denen freigeschaltet wurde, gegen Wiedereinschalten zu sichern.

In jedem Fall sind an der Schaltstelle Schaltverbotsschilder anzubringen und so zu befestigen, dass sie nicht abfallen können. Ist die Gefahr einer Berührung mit unter Spannung stehenden Teilen der Anlage gegeben, müssen Schild und Aufhängevorrichtung aus Isolierstoff bestehen. Allerdings dürfen die Schilder nicht an aktive Teile gehängt werden. Herausgenommene Sicherungseinsätze müssen so sicher verwahrt werden, dass kein Unbefugter sie wieder einsetzen kann. Es empfiehlt sich, hierfür Sperrelemente wie isolierte und nur mit einem Spezialsteckschlüssel zu entfernende Sperrstöpsel oder Blindelemente einzusetzen.

Da immer die Gefahr besteht, dass Schaltverbote von Dritten missachtet werden, sollten weitere Maßnahmen zum Schutz der an der elektrischen Anlage arbeitenden Personen angewendet werden, wie beispielsweise das Abschließen bzw. Verriegeln von Schaltern oder Schalterantrieben.

3. Spannungsfreiheit feststellen

Das Feststellen der Spannungsfreiheit ist unerlässlich und darf nur von einer Elektrofachkraft oder einer elektrotechnisch unterwiesenen Person mit dafür geeigneten Geräten und Einrichtungen vorgenommen werden.

Die Verwendung von Universalmessgeräten ist wegen der hohen Unfallgefahr in energiereichen Anlagen nicht zu empfehlen. Die Spannungsfreiheit muss stets allpolig, d. h. an jedem einzelnen Leiter, festgestellt werden Mit dem Feststellen der Spannungsfreiheit wird letztlich auch ausgeschlossen, dass durch Ersatzstromversorgungsanlagen, Rücktransformation oder durch Hilfseinspeisung noch Spannung anliegt.

Schadhafte Anzeigegeräte können zu einer lebensgefährlichen Fehlanzeige führen. Hiergegen kann sich die Elektrofachkraft z. B. durch Spannungsprüfer mit Eigenprüfvorrichtung absichern. Diese Vorrichtung prüft ohne äußere Spannungsquelle wichtige Funktionen des Anzeigegerätes.

 

4. Erden und Kurzschließen

Das Erden und Kurzschließen der Anlagenteile, an denen gearbeitet werden soll, dient dem unmittelbaren Schutz aller dort Beschäftigten.

Die zum Erden und Kurzschließen verwendete Vorrichtung muss stets zuerst mit der Erdungsanlage oder einem Erder und dann erst mit dem zu erdenden Anlagenteil verbunden werden, wenn nicht Erdung und Kurzschließung gleichzeitig, z. B. über einen Erdungsschalter, erfolgt. Die Arbeitsstelle muss so gesichert werden, dass sie sowohl gegen versehentliches Wiedereinschalten als auch gegen das Auftreten einer unzulässigen Beeinflussungsspannung (Influenz-, Induktions- oder Restspannung) geschützt ist.

Alle Vorrichtungen und Geräte zum Erden und Kurzschließen müssen einen sicheren Kontakt mit der Erdungsanlage sowie mit den zu erdenden und kurzzuschließenden Anlagenteilen gewährleisten und dem Kurzschlussstrom bis zum Ausschalten standhalten.

5. Benachbarte, unter Spannung stehende Teile abdecken oder abschranken

Das Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile soll möglichst vermieden werden; es ist immer zu prüfen, ob für die Dauer der Arbeiten nicht der spannungsfreie Zustand hergestellt werden kann. Ist dies nicht möglich, müssen die aktiven Teile für die Dauer der Arbeiten gegen Berührungen durch Personen oder mit Arbeitsmaterial abgedeckt oder abgeschrankt werden (§ 7 DGUV Vorschrift 3).

Dabei sind Spannung, Betriebsort, Art der Arbeit, Mitarbeiterqualifikation und die verwendeten Arbeitsmittel zu berücksichtigen.

Beim Abdecken oder Abschranken müssen vor Arbeitsbeginn unter Umständen zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen wie beim „Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile“ getroffen werden. Sind Schutzmittel in der Gefahrenzone anzubringen, ist hierfür entweder der spannungsfreie Zustand der Anlagenteile herzustellen oder es sind die Festlegungen für das „Arbeiten unter Spannung“ anzuwenden.

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