Bei Wind und Wetter: Persönlicher Schutz zählt

Deutschland arbeitet an einer Energiewende. Bis 2025, so die Pläne der Bundesregierung, soll der Energieanteil an der Stromerzeugung aus Sonne, Wind und Co auf 40 bis 45 % ausgebaut werden. Heute sind es knapp 26 Prozent. Die Nutzung der Windenergie hat immer mehr an Bedeutung im Energie-Mix gewonnen. Was muss bei der Montage von Windenergieanlagen aus Sicht des Arbeitsschutzes beachtet werden? Fragen dazu beantworten Wolfgang Pechoc und Timo Behnke von der BG ETEM.

Aufbau und Betrieb einer Windenergieanlage sind mit Montage- und Instandhaltungsarbeiten in großer Höhe verbunden. Wie sollten die Beschäftigten sich schützen?

Pechoc: Wichtig ist, dass jeder Beschäftigte mit einer persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) ausgestattet ist. Egal, ob er eine Steigleiter benutzt oder einen offenen Aufzug, um nach oben zu kommen.

Behnke: Die Beschäftigten sind vor der ersten Benutzung in der richtigen Anwendung bereitgestellter PSA zu unterweisen - bei PSA gegen Absturz unbedingt auch anhand praktischer Übungen, da sie ja gegen tödliche Risiken schützt. Bei jeder Anwendung von PSA gegen Absturz ist auch die Frage zu klären, wie eine Person aus dem Auffangsystem gerettet wird. Hinweise zur PSA, zu Unterweisungen und zur Rettung gibt die DGUV Information 203-007 (bisher BGI 657), die 2006 erstellt und 2014 aktualisiert wurde.

Welche Gefährdungen sind darüber hinaus am Arbeitsplatz Windenergieanlage von besonderer Bedeutung?

Behnke: Man kann drei zentrale Gefährdungsbereiche benennen: mechanische Gefährdungen, elektrische Gefährdungen und Gefahrstoffe. Ungeschützte Maschinenteile und scharfe Kanten zählen zum Beispiel zu der ersten Gruppe. Es gibt eine Vielzahl möglicher  Schutzmaßnahmen - von der mechanischen Absicherung bis zur detaillierten Unterweisung der Beschäftigten.

Pechoc: Die elektrische Sicherheit ist natürlich für Windenergieanlagen zentral. Sie gelten als "abgeschlossene elektrische Betriebsstätten", deshalb müssen innerhalb  der Anlage alle Arbeiten unter Leitung und Aufsicht einer Elektrofachkraft oder einer elektrotechnisch unterwiesenen Personen durchgeführt werden. Um die Gefahr einer Durchströmung auszuschließen, gilt für alle Schaltanlagen, dass ein vollständiger Berührungsschutz, mindestens aber ein teilweiser Berührungsschutz erfüllt wird.

Behnke: Der dritte Gefährdungsbereich sind die Gefahrstoffe. Zur Ausbesserung der Rotorblätter wird zum Beispiel Epoxydharz verwendet. Regelmäßig kommen auch Reinigungsmittel zum Einsatz. Hier ist auf jeden Fall die Unterstützung durch die Arbeitsmedizin - auch bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung und von Betriebsanweisungen für den Umgang mit den Gefahrstoffen - erforderlich. Für die Beschäftigten besonders wichtig: Wenn persönliche Schutzausrüstung in der Betriebsanweisung vorgegeben wird, muss diese auch benutzt werden. Sonst ist kein ausreichender Schutz gegeben.

Gibt es Erkenntnisse über Unfallschwerpunkte und Art der Unfälle?

Pechoc: Es wurden im Rahmen der Überarbeitung der DGUV Information 203-007 insgesamt 1200 Unfälle und Beinahe-Unfälle der Jahre 2007 bis 2009 ausgewertet. Das Ergebnis war: Der Großteil der Unfälle geschieht durch mechanische Gefährdungen, es kommt dabei zum Beispiel häufiger zu Prellungen oder Verstauchungen, die auch auf die beengten Platzverhältnisse innerhalb der Anlagen zurückzuführen sind. Oft haben auch Faktoren wie Zeitdruck und psychische Belastungen ihren Einfluss, beispielsweise auf entlegenen Baustellen - im Extremfall mehrere Wochen auf den Offshore-Anlagen.

Kommen wir damit zu einem Bereich, der stark im Ausbau ist: Offshore-Windparks. In der Nord- und Ostsee sind bereits mehrere Parks in Betrieb und im Bau, weitere sind geplant. Das bedeutet: Arbeit auf hoher See unter zum Teil extremen Wetterbedingungen und mit wenig Privatsphäre.

Pechoc: Offshore gelten zunächst einmal alle Sicherheitsbestimmungen, die auch für Windenergieanlagen an Land relevant sind. Aus der Sicht des Arbeitsschutzes kommen dann noch Fragen hinzu: Wie kann der Übergang vom Schiff zur Anlage möglichst sicher gestaltet werden? Wie geht man mit den Risiken der Schiffsüberfahrt um? Wie ist die mehrwöchige Unterbringung auf den Wohnplattformen organisiert?

Behnke: Wichtig für den Einsatz auf diesen Anlagen ist neben der persönlichen Eignung ein spezielles Training, das u. a. für Notfälle auf See fit macht. Generell ist bereits im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für Offshore-Windparks Einiges mit Bedeutung für den Arbeitsschutz verbindlich zu regeln. Hier ist das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie zuständig. "Schutz- und Sicherheitskonzept" ist hier das Stichwort. Besonderes Augenmerk gilt der Rettungskette im Offshore-Bereich, da die an Land üblichen Bedingungen nicht existieren. Die eigene unternehmerische Vorsorge muss ein gutes Stück weiter gehen und gut auf den Offshore-Bereich abgestimmt sein, damit die Rettungskette funktioniert. Ganz am Ende bleibt - offshore wie onshore - die Gefährdungsbeurteilung des Unternehmers das zentrale Instrument des Arbeitsschutzes. Werden Gefährdungen und Belastungen gründlich ermittelt, wirksame Schutzmaßnahmen sorgfältig ausgewählt und anschließend die Ergebnisse konsequent umgesetzt, ist dies die beste Basis für sicheres Arbeiten ohne inakzeptable gesundheitliche Belastungen.

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