Die Beschäftigten

Eigenverantwortliches Arbeiten der Beschäftigten befreit die Unternehmensleitung nicht von der Erfüllung ihrer Grundpflichten. Sie muss dafür Sorge tragen, dass Beschäftigte die Sicherheitsvorschriften einhalten. Es gibt kein Arbeiten auf eigene Gefahr. Es gilt aber auch: Wenn Betriebsleitung und Vorgesetzte ihren Pflichten nachgekommen sind, kann man ihnen aus Regelverstößen der Beschäftigten keinen Vorwurf machen.

So groß das Mitgefühl mit den Beschäftigten, die einen Unfall erlitten haben, auch ist, es wird häufig zunächst ihr Fehlverhalten herausgestellt. Aber dahinter steht oft eine allzu vordergründige Betrachtungsweise. Beim näheren Hinsehen gibt es fast immer einfache Maßnahmen, die den Unfall verhindert hätten und die sich aus naheliegenden Sorgfaltspflichten ableiten lassen. Nur diese Pflichten treffen andere als das Unfallopfer selbst.

Eigenverantwortung
In den Unternehmen wird heute mehr und mehr "eigenverantwortlich" gearbeitet. Oft stehen dann keine Vorgesetzten mehr zur Planung und Durchführung der Arbeiten zur Verfügung. Diese Führungsorganisation befreit den Arbeitgeber und die noch immer "übergeordneten" Vorgesetzten aber nicht von der Erfüllung der Grundpflichten, die ihnen das Arbeitsschutzrecht auferlegt. Sie haben weiter für die sicheren Werkzeuge und Hilfsmittel, für eine sichere Organisation der Arbeitsabläufe und für die Einhaltung der nötigen Verhaltensregeln zu sorgen. Von dieser Verantwortung kann kein modernes Führungsmodell und auch keine Risikobereitschaft der Beschäftigten den Arbeitgeber oder die Vorgesetzten freisprechen.
Arbeitgeber und Vorgesetzte müssen also gerade auch gegen Fehler der Beschäftigten geeignete Vorkehrungen treffen und Maßnahmen ergreifen. Dafür haben sie Anweisungs- und Unterweisungspflichten. Sie müssen Gedankenlosigkeiten, Ermüdungserscheinungen, Trägheiten und sogar eine gewisse Risikobereitschaft einkalkulieren. Deswegen haben sie Kontrollpflichten.
Der Hinweis auf ein "Selbstverschulden" des Opfers und das Mitverschulden anderer Beschäftigter reicht nicht aus, um Vorgesetzte zu entlasten. Zeigen sich Verhaltensfehler, müssen Arbeitgeber und Vorgesetzte eingreifen. Die Reaktion auf Fehler hängt dann von der Art des Fehlers und der Größe der Gefahr ab. Das gilt natürlich auch, wenn Beschäftigte sehenden Auges gegen Schutzbestimmungen verstoßen.
Besteht eine unmittelbar drohende Gefahr, dann genügen oft keine anderen Maßnahmen als die sofortige Beendigung der Arbeiten, um der Verantwortung gerecht zu werden. Insbesondere Belehrungen und Ermahnungen kommen dann zu spät. Der nötige Schutz lässt sich in solchen Situationen nur noch schaffen, wenn sofort eingegriffen wird. Dann steht jeder in der Pflicht, der die Gefahr erkennt bzw. ihr am nächsten steht, also den Schaden noch abwenden kann. Diese Pflicht findet man nicht ausdrücklich im Arbeitsschutzrecht. Sie ergibt sich aber als Absicht des Gesetzgebers aus allen Arbeitsschutzvorschriften. Wenn schon weit vorausschauende Schutzmaßnahmen Pflicht sind, dann ist das Eingreifen im Einzelfall für alle, die ein Unglück noch abwenden können, eine selbstverständliche Pflicht. Je akuter die Gefahr, desto schneller und ohne Rücksicht auf "Zuständigkeiten" ist zu handeln.
Verantwortung im Arbeitsschutz zu tragen, bedeutet nicht, für die Fehler anderer geradezustehen, sondern eher schon, sie vor Fehlern zu bewahren. Die Verantwortung der Arbeitgeber und Vorgesetzten umfasst auch die Pflicht zum Schutz der Beschäftigten vor Gefahren, die diese selbst herbeiführen.

Umgekehrt gilt aber auch: Haben Unternehmensleitung und Vorgesetzte

  • keine Fehler bei der Wahrnehmung der Pflichten gemacht und insbesondere Anweisungen, Unterweisungen und Kontrollen durchgeführt,
  • haben sie keine Kenntnis von Verhaltensfehlern
  • und/oder von gefährlichen Situationen, 

kann man ihnen aus Regelverstößen, die hinter ihrem Rücken begangen werden, keinen Vorwurf machen.

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